Kennen Sie Grabkreuze mit einem unteren, schrägen Querbalken? Diese Kreuze schmücken russisch-orthodoxe Gräber. Der Querbalken soll ein Stufenbrett symbolisieren, auf dem Jesus bei seiner Kreuzigung die Füße stellen musste. Außerdem soll der Balken den Weg zeigen: für die Reumütigen geht es nach oben ins Paradies, für die Uneinsichtigen nach unten in die Hölle.
Nicht nur das Kreuz, auch die russisch-orthodoxe Beerdigungszeremonie unterscheidet sich von denen anderer Glaubensrichtungen. In Deutschland gibt es russisch-orthodoxe Gemeinden, die Trauerfeierlichkeiten nach ihrem Ritus durchführen. Diese möchten wir in diesem Artikel vorstellen, um Hinterbliebenen oder Bestattungsunternehmen einige Hinweise an die Hand zu geben.
Feuer- oder Erdbestattung?
Gott hat die Menschen aus Erde erschaffen und zu dieser sollen sie zurückkehren – so ist es bei russisch-orthodoxen Christen üblich. Daher ist die Erdbestattung die reguläre Form, eine Feuerbestattung ist nicht im Sinne der Kirche. Die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland hat im Jahr 2012 dazu Folgendes formuliert:
„Grundsätzlich gilt für die Orthodoxe Kirche: Die Toten werden unter kirchlicher Mitwirkung im Erdgrab bestattet. … Wird dennoch eine Feuerbestattung gewünscht, ist immer zu prüfen, ob nicht eine Erdbestattung möglich ist. Hierzu ist ein entsprechendes Gespräch mit dem zuständigen Geistlichen notwendig, in dem geklärt wird, dass die Feuerbestattung dem Glauben der Kirche widerspricht. Sollte sich dabei zeigen, dass die Feuerbestattung aus schwerwiegenden Gründen nicht ausweichlich ist, muss geklärt werden, dass damit in keiner Weise eine Absage an den orthodoxen Glauben … verbunden ist“.
Sollten bestimmte Gründe für eine Kremation sprechen, werden die religiösen Rituale vor der Einäscherung durchgeführt. Anschließend wird die Urne im Beisein eines orthodoxen Priesters beigesetzt, oft ist auch kein Priester anwesend.
Die Waschung
Nachdem der Tod eingetroffen ist, erfolgt die Waschung des Leichnams. Der Verstorbene wird dann in helle Kleidung gehüllt. Diese symbolisiert Licht und das Paradies. Auch Jesus wurde nach seiner Auferstehung in weißem Gewand abgebildet und dient als Vorbild für diese Kleiderwahl.
Woher kommt der Pfarrer?
In Deutschland gibt es einige russisch-orthodoxe Gemeinden, die überall im Land verstreut sind. Viele Pfarrer müssen ein großes Gebiet betreuen und haben dementsprechend weite Anfahrtswege. Nach dem Tod einer Person sollten Sie daher möglichst schnell kontaktiert werden, um in den folgenden Tagen eine traditionelle Bestattung vornehmen zu können.
Abschied am offenen Sarg
Fast immer gliedert sich eine orthodoxe Bestattung in drei Abschnitte: Die Heilige Messe, die Verabschiedung und der Gang zum Grab.
Üblicherweise verabschieden sich die Hinterbliebenen am offenen Sarg. Aufgrund geltender deutscher Vorschriften ist dies häufig nicht möglich. Da der Priester seine Gebete am offenen Sarg verrichten muss, gibt es für ihn Ausnahmen. So kann er seine Absolutionsgebete in der Aussegnungshalle – oder auch nur in der Aufbewahrungskammer – vollziehen. Erst danach wird der Sarg verschlossen. Bis der Priester eingetroffen ist, sollte der Sarg auf jeden Fall offen bleiben.
Papierband auf der Stirn
In der russisch-orthodoxen Kirche ist es Tradition, dass auf die Stirn des Verstorbenen ein Papierband gelegt wird. Auf diesem befindet sich ein Gebetstext, in dem Gott dreifach gelobt und um Erbarmen angefleht wird: „Heiliger Gott – Heiliger Starker – Heiliger Unsterblicher, erbarme Dich!“ Zum Abschied können Hinterbliebene einen Kuss auf das Band auf der Stirn geben.
Ikonen und Totentuch
Bei der Aufbahrung wird dem/der Toten eine kleine Figur in die Hände gelegt – entweder ein Abbild Gottes, der Heiligen Muttergottes oder des Namenspatrons. Dann wird der Leichnam mit einem speziellen Totentuch bedeckt. Beide Gegenstände werden oft innerhalb der Familie weitervererbt. Sind sie nicht vorhanden, können Pfarrkirchen oder der Priester mitunter aushelfen und Ikone oder Totentuch zur Verfügung stellen.
Kleine Kerzen und Weihrauch
Bei russisch-orthodoxen Bestattungszeremonien werden kleine Kerzen an die Hinterbliebenen verteilt. Diese halten sie während der ganzen Feier in der linken Hand. Bei der Aussegnung verwendet der Priester Weihrauch und beräuchert den Sarg von allen Seiten, dazu sollte genügend Platz vorhanden sein.
Chöre und Instrumente
Chorgesang ja, begleitendes Orgelspiel oder klassische Instrumentalmusik nein. Letzteres ist im orthodoxen Ritus nicht vorgesehen und sollte – wenn es entgegen der Tradition gewünscht wird – im Vorfeld abgesprochen werden.
Der Gang zum Grab
Nach Ablauf der Bestattung ziehen alle gemeinsam zum offenen Grab. Dort wird der Sarg dann in die Erde gelassen – der/die Verstorbene soll mit Blickrichtung nach Osten beerdigt werden. Bevor die Beerdigung beendet wird, können noch Dankes- und Abschiedsreden gehalten werden.