Am 2. November, einen Tag nach Allerheiligen, feiern die Menschen römisch-katholischen Glaubens das Fest “Allerseelen”. Zu diesem Anlass wird “allen verstorbenen Gläubigen” gedacht, d.h. den Toten und ihren Seelen; insbesondere denjenigen Seelen, die im Fegefeuer von ihren Sünden geläutert werden. Der katholische Gedenktag wird von einer Reihe von religiösen Bräuchen begleitet und bildet zusammen mit Allerheiligen am Tag zuvor eine Einheit von Feiertagen.
Bei Allerseelen handelt es sich jedoch nur um einen kirchlichen, nicht um einen gesetzlichen Feiertag – anders als Allerheiligen am Tag zuvor, an dem zumindest in fünf Bundesländern die Schulen und Geschäfte geschlossen bleiben. In Österreich bleiben an Allerseelen die Schulen, bisweilen auch Universitäten, geschlossen. Das evangelische Pendant zu Allerseelen ist der Totensonntag Ende November, auch Ewigkeitssonntag genannt.
Gut zu wissen: Rituale an Allerseelen
Der Gedenktag Allerseelen geht traditionell mit Fürbitten und Gebeten für die Verstorbenen und ihre Seelen einher. Es ist ein kirchliches Ritual, an diesem Tag Brot und Wein zu spenden, und zwar sowohl an arme Bedürftige als auch an Wohlhabende, die im Gegenzug Fürbitten für die verstorbenen Seelen sprechen sollen. Während der Messe werden an Allerseelen häufig die Namen der Verstorbenen aus dem vergangenen Jahr vorgelesen. Die rituellen, kirchlichen Farben für den Feiertag Allerseelen sind Violett und Schwarz. Einige Familien backen an Allerseelen sogenannte “Seelenbrezeln”.
Mit den “Seelenlichtern” wurden und werden bis heute an Allerseelen, häufig auch bereits an Allerheiligen, Kerzen an den Gräbern entzündet, um der Verstorbenen zu gedenken. Besonders soll damit jedoch den Seelen im Fegefeuer gedacht werden. Die Kerzen brennen den ganzen Tag bzw. an beiden Tagen.
Der Besuch von Friedhöfen ist bis heute üblich. Dabei werden nicht nur die Grablichter entzündet, sondern auch die Gräber der Verstorbenen neu geschmückt, teils sogar nach einer Andacht mit Weihwasser gesegnet. Die Gräbersegnung findet üblicherweise am Nachmittag, wenn nicht bereits zuvor an Allerheiligen, statt. Das Weihen der Gräber mit Weihwasser wurde schon im 16. Jahrhundert durch Zeugnisse belegt.
So feiern gläubige Katholiken den Feiertag Allerseelen
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- Fürbitten und Gebete für die Verstorbenen
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- Allgemeine Almosen und Spenden von Wein und Brot
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- Besuch der Messe
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- Anzünden von Seelenlichtern
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- Regional: Backen von Totenbroten und Seelenbrezeln
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- Friedhofsbesuch
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- teilweise Gräberweihung
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- Schmücken der Gräber, Aufstellen von Grablichtern
- Pilgerfahrten und Fasten
Der Allerseelenablass – und die Lehre vom Fegefeuer
Eng verknüpft mit dem Brauchtum an Allerseelen ist der Ablasshandel: Bei den sogenannten “Ablässen” für die Verstorbenen handelt es sich um Gnadenakte bzw. eine Bußpraxis der Lebenden. Indem diese gute Taten verrichten, lässt sich die zeitliche Sündenstrafe der verstorbenen Seelen im Fegefeuer verkürzen. Das Fegefeuer ist nach der römisch-katholischen Lehre der Ort der Reinigung und der Läuterung, den eine Seele nach dem Tod aufsuchen muss, wenn sie nicht durch eine gute Lebensführung direkt in den Himmel aufgenommen wird.
Die guten Taten können beispielsweise Pilgerfahrten und Fasten sein, aber auch Almosen, d.h. Spenden an Bedürftige. Auch Fürbitten und bestimmte Gebete der Lebenden, wie bevorzugt an Allerseelen praktiziert, sind notwendig, damit die verstorbenen Seelen schneller geläutert werden. Erst wenn die Heiligkeit, die zu Lebzeiten nicht erlangt wurde, erlangt ist, kann eine Aufnahme in das Himmelreich Gottes erfolgen.
Der im Mittelalter praktizierte Ablasshandel mit Geld, d. h. das Freikaufen von Sünden, wurde am 31. Oktober 1517 vom Reformator Martin Luther durch das Anschlagen seiner 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche angeprangert und in der evangelisch-reformierten Kirche abgeschafft. Luther verneinte, dass Sünden durch Ablass getilgt werden könnten und verwies auf die Reue als wichtigsten Aspekt der Bußpraxis. Trotz aller Kritik hieran kann man die Wohltätigkeit gegenüber Bedürftigen als positiven Aspekt des Ablasshandels sehen.
Rückblick: Wie Allerseelen zustande kam
Der historisch-kirchliche Ursprung von Allerseelen liegt in Frankreich: Der französische Abt Odilo von Cluny erließ im Jahr 998 eine Verordnung (Dekret), derzufolge der Allerseelentag zunächst in den Klöstern von Cluny als Gedenktag für alle verstorbenen Seelen gefeiert werden sollte. Weitere Quellen belegen, dass Allerseelen ab dem 14. Jahrhundert in Rom, ab dem 15. Jahrhundert auch in Valencia gefeiert wurde. Mit der lateinischen Kirche etablierte sich der Gedenktag schließlich in ganz Europa: 1915 erhielt er diesen Status auch offiziell durch Papst Benedikt XV., der so nicht zuletzt die vielen Verstorbenen aus dem Ersten Weltkrieg ehren wollte.
Heidnische und mystische Ursprünge von Allerseelen
Einige Bräuche an Allerseelen haben jedoch auch nicht-kirchliche Wurzeln: Mit dem Backen von “Totenbroten”, die früher sogar zu den Gräbern der Verstorbenen gebracht wurden, hat sich z.B. ein vorchristliches, heidnisches Ritual erhalten. In Irland und Großbritannien bitten Kinder und Bedürftige an Allerseelen oftmals um einen “Soul Cake”, in Teilen Englands bisweilen auch Harcakes genannt: Die verzehrten Seelenkuchen sind mit weihnachtlichen Gewürzen wie Zimt und Piment zubereitet und symbolisieren die aus dem Fegefeuer erlösten Seelen. Laut Stand der Forschung ist dies einer der Ursprünge des in Amerika praktizierten Halloween-Brauchs “Trick or Treat”, bei dem Kinder von Tür zu Tür gehen und um Süßigkeiten oder Geld bitten.
Die Idee, dass die Seelen der Verstorbenen an diesem besonderen Tag zurückkehren und umherwandern, findet sich auch in vielen anderen Kulturen, wie z.B. dem Día de los Muertos in Mexiko, bei dem die Rückkehr der Toten auf den Friedhöfen gefeiert wird. Auch hier werden Speisen und Getränke zu den Gräbern getragen. Die Forschung nimmt sogar an, dass das mexikanische Totenfest eine Vermischung von Allerseelen und indigenen Bräuchen ist.