Von der Erbfolge hören wir meist im Zusammenhang mit einem Testament, wenn wir Filme oder Serien über Adlige oder Königshäuser ansehen oder wenn es um eine Vormundschaft geht.
Gewöhnlich setzen Menschen vor ihrem Ableben ein Testament auf, in dem die Erbfolge klar definiert und festgehalten ist. Wie genau ein Testament aufgebaut ist und was es dabei zu beachten gibt, können Sie in unserem Artikel “Testament erstellen – hierauf müssen Sie achten” nachlesen.
Doch gibt es auch viele Gründe, weshalb kein Testament besteht. Dies ist vor allem bei einem plötzlichen Dahinscheiden der Fall oder wenn man sich schlichtweg einfach nicht darum gekümmert hat. Grundsätzlich ist ein Testament auch nur relevant, sofern die natürliche Erbfolge geändert werden soll oder bestimmte Wünsche im Nachgang erfolgen sollen. Wird jedoch kein Testament aufgesetzt, gelten gesetzliche Regelungen, die die Erbfolge stattdessen festlegen.
Wie ist die gesetzliche Erbfolge ohne Testament?
Die Erbfolge ist gesetzlich in verschiedene Ordnungen eingeteilt. Diese orientieren sich an der Nähe der Abstammung nach unten hinweg, wie das Schaubild zeigt. Man kann sich das ein bisschen wie beim Familienstammbaum vorstellen.
Daraus ergibt sich, dass die eigenen Abkömmlinge, sowohl die ehelichen als auch die nichtehelichen, die Enkel, die Urenkel sowie adoptierte Nachkommen die erste Ordnung bilden.
Hier wird von oben nach unten vorgegangen. Existieren also noch Kinder der Verstorbenen, so wird das Erbe vollkommen auf diese verteilt. Die Enkelkinder werden dann außer Acht gelassen und erben nichts. Deren Nachkommen, also die Enkelkinder und Urenkel der Verstorbenen, erben dann nichts. Sind die Kinder ebenfalls verstorben, verteilt sich das Erbe auf deren Kinder, also auf die Enkel der Verstorbenen.
Ein Einzelkind erbt dabei alles, während das Erbe bei mehreren Kindern gleichmäßig auf alle aufgeteilt wird.
Die zweite Ordnung der gesetzlich geregelten Erben kommt dann zum Tragen, sofern keine direkten Nachkommen beziehungsweise keine Kinder existieren. Dann geht die Erbfolge nach oben in die zweite Ordnung. Diese besteht aus den Eltern der Erblasser sowie den Geschwistern. Sind die Eltern der Erblasser noch am Leben, doch die Erblasser selbst haben keine Kinder, so geht das gesamte Erbe an jene. Andernfalls fällt es auf ihre Geschwister oder die Nichten und Neffen.
Die dritte Ordnung umfasst dann die Großeltern sowie die Onkel und Tanten der Erblasser, sofern die Großeltern bereits verstorben sind.
Man kann sich die Ordnungen quasi wie eine Zwiebel vorstellen. Je näher die Schichten dem Kern, also dem jeweiligen Erblasser sind, desto früher kommen sie auch in der Erbfolge.
So kann die Erbfolge auch unendlich viele Schichten haben, bis es keine Verwandtschaft mehr gibt, die ein Erbe antreten könnte.
Ansprüche der einzelnen Ordnungen der gesetzlichen Erbfolge
Die einzelnen Rangordnungen schließen sich gegenseitig aus. Das bedeutet, sofern Nachkommen niedrigerer Ordnungen existieren, werden höhere Ordnungen nach dem gesetzlichen Erbrecht gänzlich missachtet. Existieren demnach ein Enkel (1. Ordnung) sowie Geschwister und Eltern (2. Ordnung) einer verstorbenen Person, so ist der Enkel alleiniger Erbe, da er die einzige Person der ersten Ordnung ist und damit alle höheren Ordnungen vom Erbe ausschließt.
Bei Personen derselben Ordnung wird dann wiederum nach dem Stammesprinzip vorgegangen. Nehmen wir vergleichsweise die erste Ordnung, demnach die Kinder der Verstorbenen. So bilden jedes Kind und dessen eventuelle Nachkommen einen Stamm. Besitzt der Verstorbene also zwei Kinder, so wird das Erbe auf beide Kinder gleichmäßig aufgeteilt. Die Enkel erben nicht.
Ist jedoch eines der Kinder verstorben, welches aber wiederum zwei Kinder hinterlässt, so gehen 50 % des Erbes an das noch lebende Kind, und die anderen 50 % werden gleichmäßig auf die Kinder des bereits verstorbenen verteilt. Diese Enkel erben je 25 % des Gesamterbes.
Nach diesem Prinzip wird dann auch in allen weiteren Ordnungen vorgegangen. Ab der vierten Ordnung jedoch greift das sogenannte Gradualsystem. Hier schließen noch lebende Urgroßeltern alle weiteren Verwandten, sprich die Abkömmlinge anderer Urgroßeltern aus. Jedoch kommt dies in den wenigsten Fällen überhaupt zum Tragen, da Urgroßeltern beim Tod eines Urenkels meist bereits selbst verstorben sind oder Verwandte niedrigerer Rangordnungen noch am Leben sind.
Wie ist die gesetzliche Erbfolge mit Testament?
Zwar ist niemand dazu verpflichtet, ein Testament aufzusetzen, doch kann man durch das Aufsetzen eines Testaments Einfluss auf das Erbe nehmen und einer „willkürlichen“ oder dem Zufall überlassenen Verteilung auf Hinterbliebene entgegenwirken.
Grundsätzlich kann jeder über 16 Jahre ein Testament aufsetzen. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Vielleicht möchte man genau festlegen, welcher Teil des Erbes an welche bestimmte Person übergeht. Vielleicht möchte man aber auch bestimmte Personen vom Erbe ausschließen oder anderen Erben mehr Wichtigkeit einräumen. Auch können dadurch nicht verwandte Personen wie beispielsweise Freunde zu Erben ernannt werden.
Liegt ein Testament vor, so tritt dieses vollkommen an die Stelle der gesetzlichen Erbfolge. Ein Testament hat also immer Vorrang. Ein Testament muss jedoch wirksam sein, um die sogenannte gewillkürte Erbfolge zu erlassen. Ein Testament ist unter folgenden Bedingungen wirksam:
- Wenn es vom Erblasser oder einem Notar handschriftlich verfasst ist und alle nötigen Angaben wie den vollen Namen, die Zeit und den Ort umfasst. Lediglich die Unterschrift unter ein am Computer erstelltes Dokument zu setzen, ist demnach nicht ausreichend. Ein solches Testament wäre damit nicht gültig.
- Zudem müssen Testierende während der Erstellung des Testaments voll zurechnungsfähig sein und sich der Folgen des Testaments in vollem Maße bewusst sein.
- Auch müssen Verfassende zum Zeitpunkt des Aufstellens eines öffentlichen Testaments ein Mindestalter von 16 Jahren und für ein eigenhändig verfasstes Testament ein Alter von mindestens 18 Jahren aufweisen.
Diese im Testament bestimmte gewillkürte Erbfolge hat dann Vorrang vor der gesetzlichen, doch tritt die gesetzliche Erbfolge dennoch ein, sofern sogenannte Pflichtteilberechtigte, also Eltern, Ehegatten oder Nachkommen, durch das eigens verfasste Testament enterbt würden. Dann steht die Hälfte des Erbes dennoch Pflichtteilberechtigten zu.
Diese Regelung der gesetzlichen Erbfolge kann durchaus vollkommen umgangen werden, sofern
- Pflichtteilberechtigte den Erblasser ums Leben bringen möchten,
- Pflichtteilberechtigte dem Erblasser gegenüber durch ein Verbrechen schuldig geworden sind,
- Pflichtteilberechtigte aufgrund einer Tat gegenüber dem Erblasser oder Miterben zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder ohne Bewährung verurteilt wurden oder aufgrund dessen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wurden,
- eine gesetzliche Unterhaltspflicht, also die Pflicht der Eltern, ein Kind in gewissem Maße finanziell zu unterstützen, dem Erblasser gegenüber verletzt wurde.
Demnach können Pflichtteilberechtigte also nur schwer komplett enterbt werden.
Was tun, wenn man ein Testament findet?
In der Regel können Nachlassgerichte oder auch Notare aber ein bei Gericht hinterlegtes Testament im zentralen Testamentsregister erfragen.
Ist ein Testament nicht auffindbar, ungewollt verloren gegangen oder ohne Veranlassung des Erblassers vernichtet worden, so ist es weiterhin gültig.
Findet man ein Schriftstück, egal ob verschlossen oder bereits geöffnet, das ansatzweise einem Testament ähnelt, muss dies unverzüglich beim jeweils zuständigen Nachlassgericht abgeliefert werden. Es ist dabei nicht relevant, ob das Testament gültig erscheint oder nicht. Dies wird anschließend beim Nachlassgericht geprüft. Das zuständige Nachlassgericht ist dabei meist das Amtsgericht im jeweiligen Bezirk des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes.
Wird ein Testament nicht eigens zum Nachlassgericht gebracht und auch nach Aufforderung nicht abgegeben, kann eine Strafanzeige wegen Urkundenunterdrückung erfolgen. Zudem kann man als Miterbe erbunwürdig werden.
Wie ist die gesetzliche Erbfolge bei Verheirateten ohne Kinder?
Ehepartner sind Verstorbenen meist am nächsten und somit ist auch in der Regel gewünscht, dass für diese nach dem Tod gesorgt ist. Gibt es jedoch kein Testament, so greift die gesetzliche Erbfolge, in welcher Ehepartner aber nur dann Alleinerben sind, sofern es keine erste oder zweite Ordnung der Erbfolge gibt. Demnach dürfen weder Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten der Verstorbenen mehr existieren, noch darf der Verstorbene Kinder besitzen. Nur dann sind Ehepartner Alleinerben, sollte kein Testament aufgesetzt worden sein, das anderes verfügt.
Was ist besser: ein Berliner Testament oder die gesetzliche Erbfolge?
Ein Berliner Testament kommt für Verheiratete dann infrage, wenn umgangen werden soll, dass sich Lebenspartner nach dem Tod der Partner in einer Erbengemeinschaft wiederfinden. Zwar mag es anfangs logisch erscheinen, dass Partner am Ende Alleinerben sind, doch ist dies nur selten der Fall, sofern nichts anderes festgehalten wurde.
Grundlegend beschreibt das Berliner Testament ein gemeinschaftlich aufgesetztes Testament von Ehepartnern, worin sich beide jeweils als Alleinerben einsetzen und auch die Kinder dadurch enterbt werden. Bei der gesetzlichen Erbfolge wiederum würde ein Teil des Erbes auf die Kinder fallen und eine Erbengemeinschaft zwischen Kindern und dem Ehepartner oder der Ehepartnerin entstehen. Meist beläuft sich der Erbteil der Ehepartner in der gesetzlichen Erbfolge auf 50 % des Gesamterbes. Die restlichen 50 % werden dann zu gleichen Teilen auf die Kinder verteilt.
Ein Berliner Testament ist beispielsweise dann sinnvoll, sofern eine gemeinsame Immobilie wie ein Haus an den Partner übertragen werden soll, um ihm weiterhin Wohnrecht darin zu ermöglichen, ohne dass sich Probleme durch eine Erbengemeinschaft ergeben können. Ein Berliner Testament kann aber nur bei verheirateten Menschen oder bei eingetragenen Lebenspartnern aufgesetzt werden.
Erbfolge der Geschwister
Geschwister eines Erblassers sind dann berechtigt zu erben, sofern Verstorbene keine Ehegatten oder Kinder hinterlassen. Dann tritt laut der gesetzlichen Erbfolge die zweite Ordnung ein. Leben zu diesem Zeitpunkt jedoch noch die Eltern der verstorbenen Person, so sind diese Alleinerben. Sind diese jedoch verstorben, wird das Erbe zu gleichen Teilen auf die Geschwister des Erblassers aufgeteilt.
Was ist die Gesamtrechtsnachfolge?
Die Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB besagt, dass das Vermögen in der Sekunde des Ablebens einer Person im Gesamten an eine oder mehrere Personen übergeht. Darin inbegriffen sind sämtliche Vermögenswerte (wie Aktien, Darlehen, Eigentum), aber auch alle Verbindlichkeiten, also offene Schulden. Zudem werden auch alle Vertragsverhältnisse übertragen. So treten Erben in die Verpflichtung aller laufenden Verträge ein. Dazu zählen auch Strom- und Kaufverträge sowie Girokonten usw.
Nachteile der gesetzlichen Erbfolge
Liegt kein Testament vor, so greift die gesetzliche Erbfolge. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, doch gibt es viele Fälle, in denen dies zu Nachteilen führt. So kann das Erbe beispielsweise nicht individuell auf bestimmte Hinterbliebene verteilt werden. Das spielt vor allem dann eine Rolle, wenn zum Beispiel eine Lebenspartnerin oder ein Lebenspartner kinderlos verstirbt. Besaß das Paar dann zum Beispiel eine Immobilie wie das eigene Haus, so geht diese in diesem Fall nicht komplett auf die hinterbliebene Partnerin oder den Partner über, sondern wird zu gleichen Teilen auf diese bzw. diesen sowie auch auf die Nachkommen der zweiten Ordnung verteilt. Der oder die Partner müssten sich dann das Haus auf einmal mit den Eltern, den Geschwistern und den Neffen und Nichten des Verstorbenen teilen.
Die Erbfolge ist demnach rein abhängig davon, wer zum Zeitpunkt des Todes noch lebt. Auch werden Verwandte am Erbe beteiligt, die eventuell nicht unbedingt gern gesehen waren oder sind.
Zudem bilden sich durch die gesetzliche Erbfolge teilweise Erbengemeinschaften aus Menschen, die sich eventuell gar nicht kennen, wodurch es zu Streitigkeiten und daraus resultierendem Mehraufwand in der Verwaltung sowie der Verteilung des Nachlasses kommen kann.