Jedes Jahr, zwei Sonntage vor dem ersten Advent, hält Deutschland inne, um den Volkstrauertag zu begehen. Dieser „stille Feiertag“ dient der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt aller Nationen. Ursprünglich im Jahr 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ins Leben gerufen, hat sich der Volkstrauertag im Laufe der Zeit stark gewandelt. Bis in die heutige Welt, die noch immer von Krisen und Konflikten gezeichnet ist, hat der Volkstrauertag seine Relevanz behalten.
Mehr über den stillen Feiertag erfahren Sie in diesem Artikel.
Die Geschichte des Volkstrauertages: Entstehung und Entwicklung über die NS-Zeit hinaus
Die Einführung des Volkstrauertags war eine Reaktion auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Der Tag sollte an die Gefallenen erinnern und Solidarität mit ihren Hinterbliebenen zeigen. In den Jahren der Weimarer Republik wurde er mit Gedenkfeiern begangen, die den Opfern ein ehrendes Andenken bewahren sollten.
„Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet Abkehr von Hass, bedeutet Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat die Liebe not.“ – Paul Löbe, 1922
Paul Löbe, SPD-Abgeordneter und damaliger Reichstagspräsident, spielte eine prägende Rolle in der frühen Geschichte des Volkstrauertags. Zwar war er nicht der Initiator dieses Gedenktages – diese Ehre gebührt dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – doch gestaltete er die erste offizielle Gedenkstunde im Reichstag im Jahr 1922 entscheidend mit.
In seiner viel beachteten Rede rückte Löbe den Gedanken der Versöhnung und des friedlichen Miteinanders in den Fokus, zu einer Zeit, als die Wunden des Ersten Weltkriegs noch tief waren.
Löbes Botschaft fand nicht nur innerhalb Deutschlands Anklang, sondern hatte auch international Strahlkraft. Sie stand für Deutschlands Bereitschaft, sich von der Vergangenheit zu lösen und eine friedliche Zukunft anzustreben.
Wenn man sich vor Augen führt, welcher unfassbare Schrecken mit dem Zweiten Weltkrieg den Menschen in der heutigen Bundesrepublik Deutschland und allen beteiligten Nationen noch bevorstand – und wie aktuell die Bedrohung durch Krieg und Gewalt auch heute bleibt – wird deutlich, wie brisant und zeitlos seine Botschaft ist.
Obwohl der Volkstrauertag später von den Nationalsozialisten vereinnahmt und instrumentalisiert wurde, blieb der Kern von Löbes Rede erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg trug seine Vision maßgeblich dazu bei, dass der Volkstrauertag als ein Tag des Gedenkens an alle Opfer von Krieg und Gewalt weitergeführt wurde.
Der Volkstrauertag während der NS-Zeit
Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde der Volkstrauertag 1934 zum „Heldengedenktag“ umbenannt und für propagandistische Zwecke genutzt, um den Tod fürs Vaterland zu glorifizieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland setzte sich der Volksbund erneut für einen Tag des Gedenkens ein. 1950 fand die erste offizielle Gedenkfeier im Plenarsaal des Deutschen Bundestages statt, und der Termin wurde auf den vorletzten Sonntag im Kirchenjahr verlegt.
In der DDR hingegen wurde der Tag als „Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors“ begangen. Erst nach der Wiedervereinigung wurde der Volkstrauertag bundesweit etabliert, um der Opfer von Krieg und Gewalt weltweit zu gedenken.
Der Volkstrauertag: heute so wichtig wie damals
Heute ist der Volkstrauertag nicht nur ein Tag zum Gedenken an die Opfer, die der Krieg forderte, sondern auch eine Mahnung an die Bedeutung von Frieden und Verständigung. Denn leider sind auch heute die Folgen von Krieg und Gewalt noch immer weltweit spürbar.
Bei der zentralen Gedenkfeier im Plenarsaal des Bundestages spricht der Bundespräsident das Totengedenken. Viele Städte und Gemeinden organisieren zudem eigene Veranstaltungen an Mahnmalen und Friedhöfen, um die Erinnerung lebendig zu halten.
Der Volkstrauertag ruft dazu auf, die Ursachen von Konflikten zu hinterfragen und sich für eine friedliche Zukunft einzusetzen. Besonders in einer Zeit, in der aktuelle Krisen und Kriege die Schlagzeilen bestimmen, behält die Botschaft des Volkstrauertages ihre Brisanz und Relevanz.
Herausforderungen und Ziele in der heutigen Zeit
Eine große Herausforderung besteht darin, die Bedeutung des Volkstrauertages an die jüngeren Generationen weiterzugeben. Mit der zeitlichen Distanz zum Zweiten Weltkrieg und der immer kleiner werdenden Zahl an überlebender Zeitzeugen könnte der Tag sukzessive an Relevanz verlieren. Daher ist es wichtig, die Geschichte des Gedenktages aufzuarbeiten und innovative, interaktive Formate zu schaffen, die auch junge Menschen ansprechen.
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